Long Distance Calling Interview

von Papa Mike, Mittwoch, 9. November 2011 um 07:08

Interview von Papa-Mike mit Janosch Rathmer (Drums) von Long Distance Calling vor ihrem Auftritt am 2.11.2011 im Schlachthof/Wiesbaden

 

Wie waren eure letzten Shows?

Sonntag hatten wir erst noch ein Festival gespielt, das Visions Indoor Westend Festival, welches auch für Rockpalast aufgezeichnet wurde, das läuft vom 18. auf den 19. Dezember.  Gestern hatten wir dann das erste Konzert innerhalb der 5-tägigen Kurz-Tour. Das ist die 3. Tour in diesem Jahr zu dem Album. Es war ein schöner Auftakt gestern in Bremen.

 

Habt ihr schon öfter Headliner-Touren gemacht?

Wir hatten schon zu der letzten Platte Headliner-Touren und zu dieser jetzt wieder. Das ist jetzt schon die 6. oder 7. Headliner-Tour.

 

Was macht mehr Spaß: vor großem Publikum oder selber der Headliner zu sein?

Am meisten macht es natürlich Spaß, wenn man Headliner ist und trotzdem viele Leute kommen. Z.B. die Release Shows waren sehr, sehr gut! Da hatten wir in Münster, unserer Heimatstadt, über 600 Leute. Das war wirklich super. Es macht natürlich mehr Spaß den Leuten etwas mehr präsentieren, länger spielen zu können. Gerade bei den Support-Sachen ist es oftmals einfach zeitlich sehr begrenzt. Wenn wir bei einem Support eine halbe Stunde Spielzeit haben, können wir gerade mal 3 Songs spielen, dann ist das ein bisschen wenig. Aber das macht auch Spaß, es ist halt was anderes.

 

Variiert ihr eure Setlist und können wir heute Abend etwas Besonderes erwarten?

Wir variieren eigentlich immer etwas und versuchen auch immer die Songs etwas zu verlängern und etwas Anderes rein zu bringen. Klar es gibt auch Songs, die sind wie auf Platte, aber es gibt auch immer Songs wo wir ein bisschen improvisieren.

 

Wie funktioniert euer Songwriting, mit welchen Ideen startet ihr?

Meistens funktioniert es so, dass wir zu viert im Proberaum sitzen und anfangen zu jammen und dabei entstehen die Songs. Einer von uns wohnt in Berlin, der für die ganzen Sounds und Keyboardsachen zuständig ist. Dem schicken wir dann die Proberaumaufnahmen. Aber in der Regel entstehen die Songs alle schon im Proberaum.

 

Euer letztes Album habt ihr ganz einfach Long Distance Calling genannt, hat dies ein Grund? Seid ihr an dem Punkt angekommen, wo ihr hinwolltet?

Das ist eigentlich schon ziemlich treffend, was du gerade gesagt hast. Es war schon nicht so, dass wir bei dem Album gedacht haben, es fällt uns nichts ein, also nennen wir es Long Distance Calling. Wir hatten das erste Mal das Gefühl, das es die Band so wiederspiegelt, wie wir es uns vorstellen. Zum anderen passte es auch zu dieser Weltraumthematik des Albums.  Der Titel passt insgesamt einfach sehr gut.

 

Black Paper Planes ist so etwas wie euer Hit. Gerade dieser Song ist gleich zu Beginn recht heavy und eure Wurzeln stammen ja auch teilweise aus dem Metal. Ist das für euch so ne Art Wegweiser wo es lang gehen soll, oder lasst ihr euch einfach jeweils von der spontanen Inspiration treiben?

Eigentlich schon. Wir kommen ja alle aus dem Metal-Bereich! Wir sehen uns eigentlich auch nicht als Postrock-Band, sondern eher als instrumentale Rockband. Das trifft‘s eigentlich viel besser. Auch auf dem neuen Album gibt’s Songs die einfach nach vorne gehen. Viele Postrockbands ruhen sich ja sehr lang auf irgendwelchen ruhigen Momenten aus und haben nicht so ein Riffing und Rhythmus der nach vorne geht. Klar liegt es einerseits an unserer Metal-Vergangenheit, zum anderen aber auch weil wir Alle noch Fans verschiedener Bands sind, die gar nicht aus der Instrumental-Ecke kommen. Wir lassen uns da durchaus auch von Bands mit Gesang beeinflussen.

 

Ab und zu habt ihr ja Songs mit Gesang dabei. Wie kam es denn zur Zusammenarbeit mit John Bush bei Middleville mit dem für mich besten Metal-Sänger überhaupt!

Ich bin Riesenfan von seiner Anthrax-Ära. − Mike: Ja, total genial! −  Hat da super geile Platten gemacht. Und auch bei Armored Saint großartige Nummern. Und auf irgendeiner Tour haben wir das mal wieder gehört und ich habe dann gesagt, eh Leute lass uns da mal anfragen. Ich kann mir das sehr gut vorstellen, weil er auch ein super Rocksänger ist, der sich hervorragend einfügen kann. Wir haben bei seinem Management angefragt, er hat dann sofort zurückgeantwortet und war sofort Feuer und Flamme. Er ist ein netter, smarter Typ der halt die Musik liebt. Ihm kommt es da nicht so auf die Kohle an.

 

Thema andere Musikern: wie gefällt dir denn das aktuelle Werk von Steven Wilson (Grace for Drawning)?

Könnt ihr euch auch vorstellen, in eure Musik Jazz einfließen zu lassen?

Ja, alles! Wir haben ja auch auf dem neuen Album einen Song, der etwas funkyer ist. Ich hab das Album noch nicht so wirklich gehört, da im Moment soviel raus kam. Ich warte lieber aufs nächste Porpupine Tree Album und hoffe, dass sie vom Sound her wieder etwas weniger steril werden. Z.B. das neue Opeth-Album, das er (Steven Wilson) auch gemischt hat, ist soundtechnisch absolut grandios und da sollte er auch mit Porcupine Tree etwas in die Richtung gehen. Die sind auch Live unübertroffen, da kann ich mir den Schlagzeuger fünf Stunden am Stück ansehen.

 

Was erhofft ihr euch in nächster Zukunft? Gibt es noch irgendwas ganz Besonderes, was ihr unbedingt mal erreichen wollt?

Natürlich wollen wir mit der Musik möglich weit kommen. Wir sind dabei es so aufzubauen, dass es europaweit besser funktioniert. Wir waren zwar schon fast in allen Teilen Europas und wir fliegen jetzt nach Russland für vier Konzerte. Wir hoffen jetzt, dass es etwas weiter geht und sehr gerne auch mal über den großen Teich.

 

Viele Postrock-Bands tun sich, nach meiner Meinung, schwer in ihrer musikalischen Entwicklung, gerade bei rein instrumentellen Bands.

Könnt ihr euch Vorstellen, irgendwann ebenfalls in eine musikalische Sackgasse zu gelangen?

Bisher noch nicht. Wenn man sich das erste und letzte Album anhört, ist da eine sehr deutliche Entwicklung beim Sound und beim Songaufbau. Ne, das glaube ich eigentlich nicht, da wir auch immer wieder neue Ideen haben, immer wieder neue Einflüsse haben und wir auch sehr unterschiedliche Musik hören. Klar gibt es auch Konsensbands. Aber es gibt ja Bands, wo die Leute aber Jahre hinweg immer nur eine Musik hören, immer die gleichen Bands und keine neue Musik hören. Bei uns ist eigentlich immer so, dass Irgendwer etwas Neues entdeckt und neue Einflüsse mit einbringt und deswegen habe ich im Moment noch keine Angst davor.

 

Was war euer tollster Gänsehaut-Moment als Musiker, welches der schlimmste/peinlichste?

Jedes Mal wenn wir auftreten und man merkt, dass die Leute voll auf die Musik abfahren. Wie ich schon sagte, war die Release Show in Münster ein toller Erfolg. Wir haben halt 1½ Jahre davor mit Opeth im selben Laden gespielt und dann kommen wir als Headliner auf die Bühne und es ist nicht viel leerer! Und das war schon supertoll, wenn man soviel Anerkennung von den Leuten bekommt. Es gab auch ein/zwei Konzerte, wo alles schief gelaufen ist. Fehlende Technik, daraufhin verspielt, dann fällt ein Instrument aus … Da gab es eine ganz spezielle Show in Holland, die wir aber zum Glück mittlerweile durch ein paar andere Shows wieder ausgleichen konnten, das war … nicht gut.

 

Welche Fragen wolltest du schon immer mal gestellt bekommen oder anders ausgedrückt, gibt irgendetwas was du schon immer mal mitteilen wolltest?

Wenn die Band von Außen nicht mehr nur aus der Schublade heraus als Instrumental-Band wahrgenommen werden würde. Ich find’s halt schön, wenn man vor vielen verschiedenen Leuten spielen kann. Ich find’s auch sehr, sehr schön, dass viele Leute aus verschiedenen Altersgruppen zu uns kommen. Da ist vom 16 bis zum 60 jährigen alles dabei.

 

Ich glaube die Leute werden derzeit auch offener für verschiedene Richtungen

Das liegt wohl auch daran, dass viele Leute sich auf so einen ehrlichen Sound zurückbesinnen. Es gibt ja gerade spürbar ein 70er Revival. Das finde ich auch gut, dass die Leute sich wieder für handgemachte, ehrlicher, wirklich eingespielter Musik interessieren und weg wieder von dem sterilen Zeugs gehen, was sich seit Mitte der 90er immer höher geschaukelt hat: jede Platte muss lauter, muss größer aufgepumpt sein.

 

Wobei ihr selbst ja auch einiges an Technik verwendet, es ist ja kein unplugged-Sound!

Ja klar, wir haben ja auch jemand der am Computer sitzt (Reimut van Bonn) und seine Sounds kreiert. Das ist eigenständiges Ding, was den Gesamtsound nicht grundlegend beeinflusst. Wir beachten schon darauf, dass ein Schlagzeug nicht wie ein aufgepumptes getriggertes Schlagzeug klingt. Ich finde, es gibt nicht schlimmeres, als ne Band auf Platte großartig zu finden und sie kann dies Live dann nicht umsetzen. Wenn man den Moment erwischt, wo die Leute die Platte gut finden und die sagen Live ist das ja noch geiler, das ist die Idealform.

 

Die meisten Bands kommen ja im Moment eher über die Live-Schiene zu Bekanntheit, ist das bei euch auch so?

Live ist das absolut Wichtigste. Ohne viel Live zu spielen und ohne gute Support-Sachen auch mal zu spielen und sich einen großen, neuen Publikum zu präsentieren, funktioniert es heute nach meiner Meinung überhaupt nicht mehr.

 

Was steht für euch als nächstes in Zukunft an?

Wir sind dabei das vierte Album zu schreiben und wir sind direkt am Anfang 2012 auf Tour in Europa. Festivals sind noch keine fest, da sind wir aber auch dran. Wir werden uns etwas mehr auf das Ausland konzentrieren, in Deutschland werden wir etwas weniger als in diesem Jahr auftreten.

 

Ich danke dir für das Interview.

 

Anmerkung zum Konzert:

Mit Pigeon Toe hat ein erstklassiger Opener gleich zu Beginn für eine prima Stimmung in der Räucherkammer des Wiesbadener Schlachthofes gesorgt.

Aber Janosch hatte nicht zuviel versprochen: Long Distance Calling übertrafen meine Erwartungen, die aufgrund des Albums bereits schon hoch waren, noch bei weiten.

Es war ein grandioser Abend, von der Gänsehaut, die bei gefühlsbetonten sich steigernden Elementen sich bei mir von selbst einstellt, bis hin zu meinen eksta-tischen Ausbrüchen bei den extrem treibenden Elementen.  Genial!

 

Papa-Mike

(Michael Häckl)